Kirche darf politischer sein

 

Ich habe Überzeugungen und stehe dafür ein. Als ich an einer Demo teilnahm und die Leute anfingen, Scheiben einzuschlagen, stellte ich mich quer. Gewalt kann nie eine Lösung sein. Menschen verbinden und zusammenbringen, das ist mein Antrieb und Ziel. Das ist für mich Jesus Christus.

Meine Eltern konnten mit der Institution der katholischen Kirche nichts anfangen und traten aus. Es gab aber einen reformierten Pfarrer in unserer Strasse, der hat die Menschen einfach angenommen, wie sie sind. Ganz nach dem Motto von Zwingli, das auch meine Einstellung widerspiegelt: «Christ sein heisst nicht, von Christus zu schwätzen, sondern so zu leben wie Christus gelebt hat.» So kam es, dass ich mich konfirmieren lassen wollte und mit meinen Eltern zusammen in die reformierte Kirche eingetreten bin.

Glaube heisst für mich zu mir zurückkommen, bei mir sein. Der Glaube war und ist in meinem Leben zentral, er gibt mir Kraft in schwierigen Zeiten. Auch die Kraft, über mich selbst hinauszuwachsen und für andere Menschen da zu sein. Genau das sehe ich als die Aufgabe von Gläubigen und die Botschaft, die ich weitergeben will: Kirche soll bei den Menschen sein, Werte leben, sich für die Gesellschaft einsetzen. Für mich heisst das auch: sie darf politischer sein.

Mein theologisches und mein politisches Interesse sind gemeinsam gewachsen und nicht voneinander zu trennen. Mein politisches Engagement prägt mein theologisches Denken, und meine Theologie prägt mein Menschenbild und damit auch meine politische Einstellung. Offenheit und Dialog auf Augenhöhe sind für mich zentral. Es ist ein rotes Tuch für mich, wenn Menschen anderen Menschen Dinge absprechen oder zusprechen, ohne mit dem anderen in Dialog zu treten. Wenn für sie klar ist, dass ihr Weg der einzig Richtige für alle ist, sage ich: «Sprich doch für dich als Individuum!»

Den Weg zum Theologiestudium haben für mich Pfarrpersonen gepflastert, die ihre Meinung sagen und authentisch leben: Der Pfarrer in meiner Strasse und weitere, die ich kennenlernte und die mich mit ihrem Eintreten für soziale und politische Anliegen überzeugten. Ich weiss noch nicht, ob ich selbst Pfarrer werde oder etwas im sozialen Bereich auf die Beine stelle. Als Akademiker sehe ich mich nicht, auch wenn ich wissensbegierig bin. Ich will bei den Menschen sein.