Als Einsiedler im Wald

 

Der Religionslehrer am Gymi war der Auslöser, dass ich Theologie studierte. Er war ein cooler, weltoffener Typ. Bei ihm entdeckte ich, wie spannend ich Ethik, die Frage nach dem Guten und dem Wesentlichen finde. Theoretisch hätte ich auch Philosophie studieren können. Theologie hatte den Vorteil, einen breiteren Horizont zu vermitteln – und mehr mit Menschen zu tun zu haben.

Im Theologiestudium passierte etwas, womit ich nicht gerechnet hätte. Ich wurde im Lauf des Studiums in einem gewissen Sinn gläubiger. Ich hatte schon immer ein grosses Urvertrauen, ein Bauchgefühl, dass es schon irgendwie gut kommt. Im Studium fand ich nun eine Sprache für dieses Urvertrauen. Denn um Vertrauen geht es auch im christlichen Glauben.

Mit dem Gedanken, Pfarrer zu werden, konnte ich mich erst nach dem Studium im Vikariat anfreunden. Mein Vikariatsleiter verstand es, meditativ-spirituelle Praxis und soziales Engagement zu verbinden. Das gefiel mir. Ich merkte, dass ein Pfarrer keine Antwortmaschine ist. Er darf Fragen stehen lassen und gemeinsam mit anderen unterwegs sein. Es gibt heute viele junge Menschen, die grosse Fragen mit sich herumtragen. Sie kaufen sich dann ein Esoterik-Buch oder buchen eine Yoga-Retreat – in einen Sonntagsgottesdienst würden sie nie gehen. Ich möchte auch mit ihnen unterwegs sein.

2011 bekam ich dazu die Innovationsstelle der St. Galler Kirche. Ich versuche hier, alte Traditionen neu zu interpretieren. Ich lebte drei Monate als Einsiedler im Wald, so wie das der irische Mönch Gallus 1400 Jahren zuvor gemacht hatte. Nachts allein im Dunkeln erfuhr ich viel über meine Ängste. In Zukunft möchte ich mich in Richtung Seelsorge weiterbilden. Ein Gemeindepfarramt kann ich mir vorstellen, aber nur in einem urbanen Kontext.