«Darüber könnte man ein Buch schreiben», meint Nicolas auf die Frage, wieso er sich für das Theologiestudium entschieden hat. In den zwei Zwischenjahren nach der Matura lernte er neu die lebensverändernde Kraft vom Glauben an Jesus kennen und schätzen. Nebst einem sozialen Einsatz in Moldawien, wo er in einem Zentrum für Kinder aus schwierigsten Familienverhältnissen mithalf, prägte ihn die Arbeit an einer originalen Froschauer-Bibel in einem Praktikum als Restaurator: «Ich war tief beeindruckt, als mir im Vorwort dieser Bibel der reformatorische Geist begegnete und das Bewusstsein, etwas Gewaltiges wiederentdeckt zu haben.» Die reformatorische Begeisterung, so Nicolas, habe ihn so richtig gefesselt.

Grautöne wahrnehmen

«Im Theologiestudium wollte ich dem Glauben dann auf den Grund gehen», erklärt Nicolas. Er habe gelernt, differenzierter auf den Glauben zu blicken und dabei nicht mehr nur in Schwarz und Weiss zu sehen, sondern auch Grautöne wahrzunehmen. Nun kann er unterschiedliche Ansichten besser stehen lassen.

Die Begeisterung und Freude am Evangelium und der Wunsch, Teil dieser Botschaft zu sein und sie weiterzutragen, hat er durch das Studium nicht verloren. Im Gegenteil: Sie sind ein wesentlicher Grund, weshalb er zurzeit das ekklesiologisch-praktische Semester (EPS) in der reformierten Kirche Zürich Altstetten absolviert. Ziel des praktischen Semesters ist es, Theologiestudierenden Einblicke ins Pfarramt und in die kirchliche und schulische Tätigkeit zu geben. Ganz konkret erleben die Studierenden, wie ihre mögliche Tätigkeit als Pfarrerin oder Pfarrer aussehen könnte.

Inspiration für eine Bachelorarbeit

Neben der Arbeit in der Kirchgemeinde erproben die EPS-Studierenden das Unterrichten. Diesen Teil des EPS hat Nicolas bereits hinter sich. «Das Bildungspraktikum war großartig. Es war eine Chance, einzuüben, wie man unterrichtet. Die Arbeit mit den Kindern in der Volksschule und im Religionsunterricht hat mich sehr bereichert», erzählt Nicolas begeistert. Unterdessen ist er in der Kirchgemeinde unterwegs und nutzt die Möglichkeit, in möglichst viele Bereiche reinzuschauen. «Im Moment stehen auch viele Sitzungen auf dem Plan. Diese erlebe ich aber überraschenderweise als erbaulich, besonders wenn es um Gemeindeaufbau geht. Da kann ich viel mitnehmen». So ist Nicolas, angeregt durch eine Sitzung, auf ein mögliches Thema für seine Bachelorarbeit gestossen.

Herausfordernd am EPS ist für Nicolas die Planung. Alles unter einen Hut zu bringen, sei anspruchsvoll. Das Studium an der Universität sei meist sehr strukturiert. Im EPS müsse man lernen, sich selbst zu führen. «Es fühlt sich zwar gut an, eine volle Agenda zu haben, aber wenn man dann in einer durchgehend verplanten Woche steckt, leidet man», resümiert Nicolas. Diese Erfahrung habe ihn gelehrt, bewusst Pausen und Freizeit einzuplanen. Die Begleitung im EPS erlebt er als hilfreich. Er habe besonders auf menschlicher Ebene echte Vorbilder kennengelernt, so Nicolas.

«Mein absolutes Highlight»

Im EPS gebe es Platz, Neues auszuprobieren und gleichzeitig auch das zu verfeinern, an dem man bereits dran ist, sagt Nicolas. Das Praktikum erde ihn und mache ihm die Probleme, Wünsche und Herausforderungen der Menschen ausserhalb der Universitätsmauern deutlicher bewusst. «Das sind für mich Impulse, die ich dann wieder ins Studium mitnehmen kann.» Das EPS sieht er auch als Chance, eine neue Kirchgemeinde kennenzulernen und so die Vielfalt der reformierten Landeskirche zu entdecken. Ein Erlebnis, dass ihn noch weit über das EPS hinaus motivieren wird, sind zwei persönliche Dankesbriefe, die er am Ende des Bildungspraktikums überraschend von zwei Schülerinnen erhalten habe. «Das war ein absolutes Highlight für mich», freut sich Nicolas. Die Antwort auf die Frage, wie es für Nicolas nach dem EPS weitergeht, ist für ihn klar: «Ich werde auf jeden Fall weiterstudieren und die Ausbildung zum reformierten Pfarrer fortsetzen.»

Micha Rippert (26) ist studentischer Mitarbeiter von theologiestudium.ch