Mutiger sein

Obwohl ich in einem freikirchlichen Pfarrerhaus aufwuchs, spielte Gott für mich bis ins 23. Lebensjahr eine vernachlässigbare Rolle. Mein Interesse am persönlichen Glauben wurde erst in zahlreichen Gesprächen und Mails mit einem befreundeten Priester unserer Familie aus Berlin geweckt. Plötzlich erlebte ich das Evangelium als wahrlich «frohe Botschaft», als Kraft zum Leben. Dies veränderte mich, es öffnete mein Herz! Das klingt nach dem klassischen freikirchlichen Gelabber, aber besser kann ich es nicht ausdrücken.

Jetzt studiere ich Geschichte und Theologie nebeneinander. Ich hatte nie Angst, an der Theologischen Fakultät meinen Glauben zu verlieren. Im Gegenteil, ich schätze die Herausforderungen sehr. Ich bin gefestigt in der Gemeinschaft mit Gott und im Gebet – also kann ich ganz offen sein für das pluralistische Religionsverständnis, wie es an der Fakultät vermittelt wird. Meine persönliche Gemeinschaft mit Gott ist durch das Studium nur reicher geworden.

Ich möchte Pfarrer werden in der reformierten Kirche. Dabei möchte ich sehr offen sein für die Ökumene mit Katholiken, Freikirchen und anderen Denominationen. Das wird möglich sein, weil wir alle vor den gleichen Herausforderungen stehen. Wir müssen auf die Leute zugehen und die Kirchentüren weit öffnen!

Die reformierte Kirche rechtfertigt sich zu oft. Sie versucht krampfhaft, sich als zeitgemäss und salonfähig zu präsentieren. Sie sollte mutiger sein, sich zu Christus als der Kraft des Lebens, als Gekreuzigten und Auferstandenen zu bekennen, nicht nur an Ostern. Und sie sollte vor allem ein Spital sein, das alle Menschen aufnimmt und heilt. Nun hoffe ich, vorlaut wie ich bin, meinen Teil dazu beitragen zu können.