Mich interessiert der konkrete Mensch

 

Das Studium war für mich eine Befreiung. Zuerst hatte ich  Philosophie, Geschichte und Theologie kombiniert. Mit der Zeit merkte ich, dass mich konkrete Menschen mehr interessieren als Gedanken über Menschen, und dass mir heutige Menschen mehr sagen als tote. Zudem fühlte ich mich an der Theologischen Fakultät am wohlsten. Die Studierenden dort waren am zugänglichsten, und überraschenderweise kannten sie am wenigsten Denkverbote. So wechselte ich zum Vollstudium Theologie.

Drei Dinge nahm ich aus dem Studium mit ins Berufsleben: Ich lernte,  Fremdes wahrzunehmen und aus sich selbst heraus zu verstehen – zum Beispiel beim Propheten Jesaja. Ich lernte, Ideologien zu kritisieren – zum Beispiel bei kirchlichen Dogmen wie dem Opfertod Christi. Und ich lernte, zu debattieren – wertschätzend, selbstkritisch und verständlich.

Für meine dritte Pfarrstelle wechselte ich nach Bümpliz. Mir gefällt dieser dynamische und farbige Stadtteil. Ich bin hier ein Passagen-Coach: Menschen aus allen Milieus öffnen mir ihre Türen und oft auch ihre Herzen. Messies und Millionäre, Professorinnen und Putzfrauen lassen mich teilhaben an ihren Lebensfragen.  Gemeinsam mit ihnen suche ich nach einer Sprache, die Perspektiven für ihr Leben öffnet oder verschiebt. Es ist eine kreative Arbeit, die Geschichten dieser Menschen mit den Geschichten der Bibel zu verknüpfen.

Einmal wollte der Bruder eines verstorbenen Junkies  einen todtraurigen Bushido-Song am Ende der Trauerfeier. Ich schlug vor, den Song zu Beginn des Gottesdiensts zu hören: Die Trauer ist der Ausgangspunkt. Die Feier soll dazu beitragen, ins Leben zurück zu finden.

Im FC Weltreligionen spiele ich Fussball mit Muslimen, Juden, Aleviten, Baha’i und Christen. Gemeinsam wollen wir zeigen: es ist möglich zusammenzuspielen, obwohl wir unterschiedlichen Religionen angehören. Vieles bleibt fremd. Aber das macht nichts. Wenn uns ein Tor gelingt, jubeln wir alle.