Ich stehe gerne vorne

 

Als Kind war die Sonntagsschulweihnacht mein Höhepunkt im Jahr. Ich liebte die biblischen Geschichten, und vor allem liebte ich es, auf der Bühne zu stehen. Ich höre noch, wie meine Mutter sagte, ich würde einmal Pfarrerin. Ich weiss nicht, warum mir das in Erinnerung geblieben ist. Später besuchte ich regelmässig Jugendlager, und dort sagte mir der Pfarrer: Studiere doch Theologie. Irgendetwas musste also dran sein!

Ich dachte aber nicht daran, Theologie zu studieren. Ich begann ein Musikstudium. Ohne Plan rutschte ich in die Theologie. Die persönliche Atmosphäre an der Fakultät gefiel mir auf Anhieb. So richtig gepackt hat mich das Studium aber erst bei der Praktischen Theologie. In einem Seminar filmten wir uns beim Predigen. Da merkte ich wieder, wie gern ich vorne stehe und etwas sage. Wie damals in der Sonntagsschule, nur diese Mal ein bisschen reflektierter.

Im Vikariat bekam ich viele positive Rückmeldungen auf meine Gottesdienste. Diese Wertschätzung ist für mich bis heute etwas vom Erfüllendsten am Pfarrberuf. Ich spüre, wenn ich den Nagel auf den Kopf treffe und die Menschen mit meinen Worten bewege. Die intensivsten Begegnungen finden rund um die Kasualien statt: Taufe, Hochzeit, Beerdigung. Tragik und Komik sind hier oft nahe beieinander. Einmal hielt ich die Abdankung für eine Frau, die zwei bereits ältere Töchter hinterliess. Unterwegs zum Grab traten die beiden Frauen an mich heran, überreichten mir ein Säcklein und fragten, ob ich nicht auch ihren Pudel begraben könne. Im Sack befand sich also die Asche eines Hunds. Das war eine Herausforderung!

Vor kurzem ist unser erstes Kind zur Welt gekommen. Ich gab meine wöchentliche Radiosendung auf und reduzierte mein Pensum auf 50 Prozent. Das ging problemlos. Diese Flexibilität ist ein grosses Plus an meiner Arbeit als Pfarrerin.