Hinter Gott hertrottend

 

Ist die Kirche in der Schweiz ein sinkendes Schiff? Mindestens ein Leck hat sie. Aber zur Zeit lässt Gott sie schwimmen und braucht Menschen, die sich einsetzen. Ich liebe meinen Beruf, ob es mit der Kirche aufwärts oder abwärts geht. Der Pfarrberuf bringt mich in die Nähe von Gott und in die Nähe der Menschen. Nicht immer, aber immer wieder. Ich sehe mich als «hinter Gott hertrottend». Auf Irrwegen manchmal, aber bereit, mich zurückrufen zu lassen und neue Wege zu beschreiten.

Zur Theologie bin ich auf Umwegen gelangt. Interesse daran hatte ich schon als Jugendlicher. Obwohl ich ohne Bezug zur Kirche aufwuchs, entdeckte ich den christlichen Glauben für mich. Ein engagierter Jugendarbeiter liess uns in der Kirche mitmischen und brachte uns bei, uns an der Bibel abzuarbeiten. Mein unstetes Leben schien mir aber im Widerspruch zu einer Ausbildung zum Pfarrer zu stehen. Ich studierte stattdessen Deutsch und Geschichte. Später merkte ich aber: Meine Leidenschaft liegt bei den grossen Fragen. Ich will nicht nur die Welt verstehen, ich will auch meine Bestimmung erfüllen. Dabei hilft Goethe wenig.

Den Entscheid, Pfarrer zu werden, löste eine Hochzeit aus. Zwei Freunde mit unterschiedlichen Konfessionen fanden keinen Pfarrer. Sie baten mich darum, einzuspringen. Nach der Feier kam ein Gast auf mich zu, der keinerlei Bezug zu Kirche hatte, und fragte: Warum bist du nicht Pfarrer geworden? Meine Frau lachte: Das frage ich auch schon lange.

Pfarrer sein verstehe ich so: Ich bin für Leute da von null bis hundert, von links bis rechts, für Fromme und weniger Fromme, für Gläubige und Nichtgläubige. Ich höre ihnen zu und erzähle ihnen vom Gott der Bibel, dessen Gedanken höher sind als unsere Gedanken. Diese Aufgabe liegt mir, und ich kann sie hier am Ort wahrnehmen. «Du bist doch unser Pfarrer», sagte kürzlich einer im Tennisclub zu mir, der nie in die Kirche kommt. Die Kirche gehört noch zum Dorf.