Brückenbauerin

 

Ich habe im Theologiestudium nicht nach Antworten auf persönliche existentielle Fragen gesucht. Ausschlaggebend war mein Interesse an antiken Kulturen und Religionen, Archäologie und Geschichte. In der Berufsberatung bestätigte sich: Theologie vereint all das! Mein persönliches Glaubensleben – ich bin in der Evangelisch-methodistischen Kirche aufgewachsen und hatte immer einen offen-neugierigen Zugang zum Glauben – lief sozusagen auf einem Nebengeleise. Mit guten Verbindungen, aber ohne dass das eine das andere motiviert hätte.

In meiner Studienzeit bin ich viel gereist. Ich verbrachte ein Austauschsemester in Heidelberg und ein Jahr in Indien, um für meine Masterarbeit das Kastensystem in der Church of South India zu untersuchen. Es fasziniert mich, das Christentum von ungewohnten Seiten zu entdecken.

Pfarrerin zu werden war der naheliegende nächste Schritt. Ich brauchte nicht den grossen Entscheidungsprozess oder die Stimme vom Himmel, die mich darin bestärkte. Es war für mich auch keine grosse Sache, vor dem Eintritt ins Lernvikariat der Landeskirche beizutreten und die Taufe nachzuholen, die ich als Kind nicht hatte. Ich konnte mich mit der Reformierten Kirche identifizieren und sie bot mehr Möglichkeiten als das klassische Gemeindepfarramt, für das ich mich noch nicht bereit fühlte.

Dass ich bald nach der Ausbildung die Leitung des Zentrums für Migrationskirchen in Zürich übernehmen konnte, war ein Glücksfall. Die Stelle ermöglicht es mir, parallel an einer Dissertation zu arbeiten. Und im Kontakt mit den fremdsprachigen evangelischen Kirchen kommen mir meine Erfahrungen zugute: Ich bin vertraut mit anderen Kulturen und mit freieren kirchlichen Strukturen. Als Brückenbauerin erlebe ich, wie gewinnbringend es ist, wenn sich Menschen auf eine Begegnung einlassen. Zusammenarbeit ist anstrengend, kann aber gelingen – auch über kulturelle Grenzen hinaus.