Das Leben ergibt sich

 

Nach der Matur arbeitete ich im Bündnerland auf einem Bauernhof. Ein Mann holte jeden Tag seine Milch bei uns. Es war der ehemalige Dorfpfarrer, und irgendwann sagte er zu mir: Du musst Theologie studieren! Für mich kam das nicht in Frage, ich wollte Medizin und Psychiatrie studieren. Aber der Pfarrer blieb hartnäckig. Er zeigte mir die Breite des Studiums. Hebräisch zu verstehen und die Welt des Alten Orients zu erkunden, war eine schöne Vorstellung. Zudem hatte Theologie viel mit Menschen zu tun. Meine Neugierde war geweckt!

Entschieden war nichts. Als ich mich schliesslich doch bei der Theologie einschrieb, studierte ich immer so, als ob ich gleich wieder aufhören würde. Ich arbeitete daneben im Service, als Velokurierin, als Religionslehrerin und als Skilehrerin. Ich brauchte diese Gegensätze!

Fragen nach einem verantwortungsvollen Umgang mit Leben und Sterben beschäftigten mich immer schon. Ich besuchte deshalb zahlreiche ethische Vorlesungen und Seminare. Ich belegte auch viele religionswissenschaftliche Angebote. Das Exotische faszinierte mich. Mythen interessierten mich extrem, und Rituale an Lebensübergängen. Unsere Rituale sind diesbezüglich ja etwas dürftig. Während des Studiums ging ich für ein halbes Jahr als Hauslehrerin nach Indonesien. Die multireligiöse Welt dort packte mich. Nach Studium und Vikariat arbeitete ich drei Jahre als Pfarrerin. Dann ergab sich die Gelegenheit, eine Stelle als Assistentin an der Universität anzutreten. In diesem Rahmen schreibe ich nun eine Dissertation. Für mich war klar, dass es um Indonesien gehen würde. Es geht dabei um das grosse Totenfest Tiwah. Ich untersuche, was in der Begegnung zwischen Missionaren der Basler Mission und der lokalen Bevölkerung Ngaju Dayak in Mittelkalimantan geschehen ist, und was sich daraus entwickelt hat. Die Arbeit an der Diss kann ich optimal mit meinem Leben als Mutter und Hausfrau verbinden. Später verbessert sie vielleicht meine Chancen, beim HEKS oder bei der Mission 21 eine Stelle zu bekommen.

Bei mir ergibt sich das Leben meistens. Manchmal allerdings setze ich mir auch etwas in den Kopf. Meine Dissertation wird Ende nächstes Jahr fertig sein. Und das Skilehrerpatent, das wollte ich damals unbedingt erwerben. Als Baslerin war das gar nicht so einfach.